In diesem Jahr hat sich die Ausschreibung um die Pressefotos des Jahres grundlegend verändert. Mit einem neuen, mehr regional geprägten Wettbewerbskonzept soll sichergestellt werden, dass tatsächlich Fotojournalist:innen aus der ganzen Welt im Wettbewerb um das „Pressefoto des Jahres“ vertreten sind. So gewinnt auch das Publikum weitere eindrucksvolle Einblicke in Geschichten, die es sonst vielleicht nicht wahrgenommen hätte.
In ihrer mehr als 60-jährigen Geschichte hat sich die World Press Photo Foundation immer wieder neuen Herausforderungen gestellt. Von national zu international, von analog zu digital: Der Wettbewerb um das Pressefoto des Jahres entwickelte sich stetig weiter und nahm Bezug auf aktuelle gesellschaftliche und technologische Veränderungen.
Die aktuelle Herausforderung: Trotz Bemühungen, möglichst diverse Stimmen sprechen zu lassen, kam es in jedem Jahr zu einem Ungleichgewicht bei den Einreichungen. Der Großteil der Aufnahmen stammte aus Europa und Nordamerika. Andere Regionen waren mit deutlich weniger Fotos vertreten. Das soll sich nun ändern.
So sieht das neue Wettbewerbsmodell aus
Die wohl wichtigste Änderung auf dem Weg zu größerer Vielfalt ist die Einführung von regionalen Entscheiden. Hierfür wurde die Welt in sechs Regionen aufgeteilt: Afrika, Asien, Europa, Nord- und Zentralamerika, Südamerika sowie Südostasien und Ozeanien.
„Um dem Wort Welt, das Teil unseres Namens ist, gerecht zu werden, haben wir entschieden, unsere gesamte Arbeit zu regionalisieren“, berichtet Joumana El Zein Khoury, die Direktorin der World Press Photo Foundation. Selbstverständlich stehe die Pressefotografie weiterhin im Mittelpunkt ihrer Arbeit. „Die Veränderungen, die wir vornehmen, beziehen sich darauf, wie wir die Geschichten finden und wie wir absichern, dass verschiedene Stimmen vertreten sind. Wie können wir eine ausgeglichenere Auswahl an Geschichten aus der ganzen Welt präsentieren?”
Im neuen Modell gibt es nur noch vier Kategorien: Einzelaufnahme, Fotoserie, Fotoreportage und offenes Format. Die letztgenannte Kategorie löst gewissermaßen das „Digital Storytelling“ ab, wobei digitale Projekte weiterhin als offene Formate eingereicht werden können.
Zudem wird der Wettbewerb mit dieser Kategorie auch für andere kreative Konzepte geöffnet: So hat Charinthorn Rachurutchata, Siegerin im offenen Format in der Region Südostasien und Ozeanien, Bilder zerrissen und mit der japanischen Methode kintsugi wieder repariert. Um die Fotos zusammenzusetzen, nutzte sie eine Mischung aus Goldpulver und Lack. Die Bildauswahl besteht sowohl aus archivierten Fotografien von Protesten der Studierenden der Thammasat-Universität in Bangkok aus dem Jahr 1976 als auch aus Aufnahmen des aktuellen Widerstands gegen die thailändische Monarchie.
So läuft der Entscheidungsprozess ab
In jeder der sechs Regionen werden pro Kategorie von einer unabhängigen Jury eine Gewinnerin oder ein Gewinner gekürt. Nachdem diese feststehen, entscheidet eine globale Jury über die vier Einreichungen, die den Gesamtsieg davontragen. Das Gremium besteht aus den sechs Vorsitzenden der regionalen Jurys und einer/einem Vorsitzenden.
Wie solch ein Prozess abläuft, beschreibt Jurychefin Rena Effendie: „Die Vertreter:innen der regionalen Jurys in einem Raum zu haben, war eine großartige Erfahrung. Sie haben ihr Wissen über ihre Regionen mitgebracht, was von unschätzbarem Wert war. Sie haben den richtigen Kontext für die Fotos geliefert, den die anderen Mitglieder nicht kannten. Das hatte Einfluss auf die Entscheidungen, die getroffen wurden.“
Auch bei den anderen Jury-Mitgliedern trafen die Änderungen im Wettbewerb auf großen Zuspruch. N‘Goné Fall, die als Vorsitzende die aus Afrika übermittelten Fotos beurteilte, erklärt, dass die vorgenommenen Änderungen sie dazu motivierten, Teil des Gremiums zu werden. „Es braucht Menschen aus der Region, die in einem sehr spezifischen Kontext leben, um aufzuzeigen, welche Geschichten tatsächlich für uns wichtig sind. Man benötigt dieses Insider-Wissen.”
So zeigt sich der Wandel in der Ausstellung
Einen radikal neuen Ansatz innerhalb der eigenen Strukturen zu verfolgen, ist ein wichtiger Schritt für World Press Photo. Es zeigt den Willen der Stiftung, Verantwortung zu übernehmen, um den eigenen Werten treu zu bleiben. Oder ihnen wieder treu zu werden.
Die Erneuerung des Wettbewerbs bringt auch Veränderungen für die Besucher:innen mit sich: Nie war sichtbarer, wie Wettbewerbskategorien sich im Wandel der Zeit angepasst haben. Nie war es wichtiger, sich Zeit für die Geschichten hinter den Fotos zu nehmen. Das Sichtbarmachen wichtiger Ereignisse aus den verschiedensten Ecken der Welt fordert unsere Sehgewohnheiten heraus und macht den Ausstellungsbesuch zu einer tiefgreifenden und bereichernden Erfahrung. Wir alle weiten damit unseren Blick über das Erwartbare hinaus.
Es war schon immer die Mission der veranstaltenden World-Press-Photo-Stiftung, fotojournalistisch aufbereiteten Geschichten aus allen Regionen der Welt Gehör zu verschaffen. Mit der neuen Wettbewerbsstruktur wird nun tatsächlich ein neuer Anlauf genommen, die ganze Vielfalt der Fotografie zum Ausdruck zu bringen.