Regelmäßig wird Claus Spitzer-Ewersmann, Geschäftsführer der veranstaltenden Agentur Mediavanti, gefragt, wie Oldenburg zum festen Standort einer so hochkarätigen Ausstellung wie der der weltbesten Pressefotos wurde. Alles nahm seinen Anfang 2014 an einem tropisch heißen Januar-Donnerstag in Singapur, berichtet er im Folgenden.
Zum Raffles? Der Taxifahrer schaut ein wenig verdutzt. Er hat ja recht, es sind nur 700 Meter vom Merlion, der wasserspeienden Löwenstatue, bis zu einem der berühmtesten Hotels der Welt. Aber ich will nur wissen, in welche Richtung ich laufen muss, hier in der südostasiatischen Metropole Singapur. Im Raffles soll sie zu sehen sein, die Ausstellung von rund 150 Pressefotografien, deren Besuch ich mir nach dem Tipp eines Freundes fest vorgenommen habe.
Am Hotel angekommen weist mir einer der livrierten Sikh-Pförtner mit dem makellosen weißen Turban gleich am Eingang freundlich den Weg: „World Press Photo? Da entlang!“
Eine Weltreise in fünf Stunden
Es ist rund 20 Jahre her, dass ich die Ausstellung zum letzten Mal gesehen habe, damals in Amsterdam. Bis heute wird sie dort in der Nieuwe Kerk gezeigt. Aber das hier in Singapur ist eine andere Nummer. Die aus knapp 100.000 Einreichungen im Wettbewerb um das beste Pressebild des Jahres ausgewählten Fotos sind großformatig auf Tafeln gezogen und kunstvoll in den wundervollen Hotelarkaden aufgereiht. Ein faszinierender Anblick, der mich auf der Stelle packt..
Ich taste mich vor, sehe preisgekrönte Aufnahmen aus Djibouti und Indien, aus Boston und Göteborg. Ich verliere mich in einem Bild des französischen Fotografen Philippe Lopez. Es zeigt einen Trauerzug für die Opfer eines Taifuns auf den Philippinen. Ich merke: Diese Ausstellung fordert mich. Sie geht an die Substanz. Mal kurz zwischendurch anschauen, das geht nicht. Am Ende verbringe ich fast fünf Stunden in den Raffles-Arkaden.
Einige Tage später unterschreiben wir den Vertrag mit der Foundation in Amsterdam. Die schickt schon kurz danach einen Terminvorschlag für die Ausstellung mit den Bildern von 2015: 20. Februar bis 13. März 2016. Drei Wochen ganz am Ende der Tournee. Nehmen wir. Und vereinbaren – obgleich wir ihnen bislang nicht viel mehr als eine Idee präsentieren können – erste Gespräche mit potenziellen Sponsoren. Fast alle werden sie zu tatsächlichen Unterstützern, die uns bis heute treu bleiben.
Eine Zusage, die uns jubeln lässt
Muss ich erwähnen, dass niemand von uns je zuvor eine Ausstellung auf die Beine gestellt hat? Was sich in der Theorie nach einem unüberwindlichen Hindernis anhört, erweist sich in der Praxis als Glücksfall. Die Konventionen des Museumsbetriebs lassen wir außer acht, machen stattdessen alles so, wie wir es richtig finden. Zweifel („Das ist zu groß für Oldenburg!“) lassen wir nicht gelten. Die Lust auf die Herausforderung ist größer als die Angst, sie zu versemmeln.
Wir engagieren eine Studentin für die Organisation. Sie macht ihre Sache großartig, hat schnell einen Plan und weiß, wie man ihn umsetzt. Wir stellen ein Rahmenprogramm zusammen, lassen Plakate drucken, geben Pressemitteilungen heraus und starten die Social-Media-Kanäle. Dann ein besonderer Moment: Anruf bei Mads Nissen. Der dänische Fotogtraf hat in diesem Jahr den Preis für das beste Pressefoto gewonnen. Wir laden ihn zur Eröffnung der Ausstellung ein. Er sagt zu. Luftsprung!
In den folgenden Wochen und Monaten nimmt die Schlagzahl beträchtlich zu. Was da nicht alles vorzubereiten ist. Flüge für Mads müssen gebucht, Hotelzimmer für ihn und die aus Amsterdam anreisende Kuratorin reserviert werden. Ein Sponsor möchte zu einem Kundenempfang in die Ausstellungsräume einladen. Wir versuchen einen Partner zu finden, der das sonst verwaiste Museumscafé betreibt. Und mit dem Museumsteam ist dringend zu klären, wer wann welche Gästeführungen übernehmen kann. Puh.
Zwei Kisten und ein Endspurt
Am Dienstag, vier Tage vor der Eröffnung, bringt eine Spedition zwei große rote Boxen vorbei und stellt sie vor dem Museumsfahrstuhl ab. Die Bilder! Ärgerlich allerdings, dass sich die Kisten nur mit größter Mühe in den Lift wuchten lassen. Als es endlich geklappt hat, müssen wir unsere Neugier zügeln: Wir dürfen die Boxen nicht öffnen. Erst muss sich die Kuratorin überzeugen, dass die Lieferung vollständig und unbeschädigt ist. Dann aber geht’s los mit dem Endspurt. Von Mittwoch bis Freitag wird gemessen, gehängt und ausgeleuchtet. Natürlich auch gelacht und zugleich gefiebert, ob das wohl alles zu schaffen ist.
Freitag, 19. Februar 2016, 14 Uhr, Pressekonferenz zur Eröffnung. Fertig! Irgendwo steht noch eine Leiter, jemand hat eine Mütze auf dem Fensterbrett vergessen. Egal. Mads Nissen ist da, die Kuratorin, auch die Kulturamtsleiterin. Rainer Stamm und ich strahlen um die Wette. „War’s anstrengend?“, fragt der Reporter von der Lokalzeitung.