Am Rande der Strecke

Tino Pohlmann präsentiert die Tour de France als letztes Spektakel des Sports.

Foto: Tino Pohlmann
Die Tour de France ist fraglos das wichtigste, größte und faszinierendste Radrennen der Welt. Tino Pohlmann begleitet den Tour-Tross seit bald 20 Jahren und zeigt das Spektakel in beeindruckend emotionalen Bildern. 

L’Alpe d’Huez und der Mont Ventoux, der Galibier und die Champs-Élysées – legendäre Stationen der Tour de France. Tino Pohlmann kennt sie alle aus dem Effeff. Der 1976 in Frankfurt/Oder geborene und seit langem in Berlin lebende Fotograf, der selbst schon als Neunjähriger sportlich in die Pedale trat, begleitet das weltweit bedeutendste Radrennen seit fast 20 Jahren mit seinen Kameras. Er zeigt die Athleten bei ihrer schweißtreibenden Tätigkeit, blickt hinter den Kulissen des Spektakels den Schraubern in ihren mobilen Werkstätten über die Schultern, zeigt euphorisierte Fans am Streckenrand.

Die Herausforderung der Königsdisziplin

Die Sportfotografie gilt gemeinhin als Königsdisziplin der Pressefotografie. Es kommt auf jede Sekunde an, nichts ist wiederholbar. Tino Pohlmann meistert die Herausforderung, indem er sich mitten ins Geschehen stürzt. Er ist ganz nah dran an den Akteuren, die er zeigen will. Und das sind bei der Tour de France beileibe nicht nur die Radrennfahrer. Besonders faszinieren ihn die sogenannten „Randbilder“, die er abseits der Strecke findet. Siegerposen zeigt er kaum, stattdessen euphorisierte Fans auf ihren Klappstühlen neben der Straße, die sich durch die bizarren Bergwelten der Alpen und Pyrenäen winden.

Foto: Tino Pohlmann

Jede Aufnahme ist ein Beweis für die emotionale Kraft der Sportfotografie. Pohlmann inszeniert die Tour als „letzte wahre Arena“. Als Schlachtfeld, auf dem das Publikum eines der größten Sportereignisse der Welt erleben kann, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Die Berge Frankreichs sind das Stadion, in dem sich der Fotograf in den vergangenen 15 Jahren auf der ständigen Suche nach den großen und kleinen Dingen jenseits des Gelben Trikots aufgehalten hat. Ein Journalist schrieb über seine Bilder: „Sie riechen nach brennendem Schweiß, geronnenem Blut, geschmolzenem Teer, gemähtem Gras und aufgewirbeltem Staub, nach Sonne und Sommerregen.“

Analog oder digital – keine Frage!

Geprägt wurde Tino Pohlmann, seit 2015 auch als freier Dozent für Fotografie an der HTW Berlin tätig, noch in einer anderen Fotowelt. „Ich bin ich mit der analogen Fotografie aufgewachsen, auch erste Auftragsarbeiten wurden noch mit Polaroid und Negativ entwickelt“, verrät er. Der seinerzeit langsamer getaktete Umgang mit der Fotografie hat ihm gut getan. „Nicht sofort die Kontrolle über das gemachte Bild zu haben – so lernt es sich ganz gut, in technischen Dingen recht sicher zu werden, um intuitiv arbeiten zu können.“ Heute stelle sich ihm die Frage nicht mehr, ob er analog oder digital arbeite. „Wichtig ist, dass ich starke Bilder produziere und der Welt da draußen zeige.“

Und das schafft er wie? Zum Beispiel indem er auf den Gipfeln der Berge sein Licht quasi wie im Studio-Set-up aufbaut. So erzeugt er eine absolut künstliche Szenerie, die oft erst bei großen Prints ihre Details preisgibt – etwa die feinen aufstehenden Haare auf der Haut, der starre Blick in den Augen der Sportler. Wenn Betrachtende das Gefühl haben, in das Motiv regelrecht einzutauchen, sei es „das größte Kompliment meiner Arbeit“, sagt Pohlmann.

Foto: Tino Pohlmann

Grenzbereiche sichtbar machen

„Als ehemaliger Radrennfahrer“, fügt der Leica-Fotograf an, „will ich meine Sicht auf die Dinge sichtbar machen, meine Gefühle zum Sport und darüber hinaus. Die Emotion, die dir der Sport geben kann – Freude, Leid, Schmerz, aber auch endlose Glücksgefühle, bis hin zu Trancezuständen in der Belastung – will ich für mich interpretieren und darstellen. Ich will Dinge sichtbar machen, die vielleicht in unmöglichen Grenzbereichen liegen.“

Claus Spitzer-Ewersmann

Ohne Claus Spitzer-Ewersmann würde die World-Press-Photo-Ausstellung in Oldenburg wohl kaum Station machen. Der Agenturchef gab 2015 den Anstoß, die Bilderschau in seine Heimatstadt zu holen und freut sich noch immer, dass die Idee auf fruchtbaren Boden fiel und weiterhin auf großen Zuspruch beim Publikum stößt.

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