Es ist Ende Dezember 1971. Wolfgang Peter Geller, Fotograf beim Hamburger Abendblatt, ist in Köln. Als er von einem Überfall auf die Filiale der Deutschen Bank am Dom hört, packt ihn das Reporterfieber. Die Lage ist brenzlig. Die Gangster sind schwer bewaffnet, die Polizei greift aus Sorge um die Mitarbeiter der Bank nicht ein. Mit etwas mehr als 300.000 Mark und zwei Geiseln begibt sich das räuberische Trio in einem Ford Transit auf die Flucht. Im Schlepptau ein Konvoi aus Polizisten, Journalisten und Neugierigen.

Wolfgang Peter Geller als junger Fotoreporter und heute als Unternehmer
Showdown im Saarland
Die Fahrt geht Richtung Saarland, möglicherweise wollen die Täter nach Frankreich. Bei Rohrbach lassen sie ihre beiden Geiseln, zwei hochrangige Kölner Polizisten, frei. Ihre Spur verliert sich. Nach einer Nacht im Vereinsheim des Hundesportclubs Limbach beschafft sich die Bande ein neues Fluchtfahrzeug und nimmt erneut eine Geisel. Der Wagen wird bald von der Polizei entdeckt. Die wilde Hatz geht weiter. Und der Reportertross ist auch wieder da. In Baltersweiler kommt es auf einer Anhöhe schließlich zum Showdown. Der heute 79-jährige Wolfgang Peter Geller erinnert sich:
“Die Lage war sehr unübersichtlich. Der Wagen der Gangster hatte gestoppt, ihr Boss Kurt Vicenik will verhandeln. Julius Groß, Leiter der Saarbrücker Sonderkommission, steht ihm gegenüber. Da fällt ein Schuss aus Groß’ Dienstwaffe, Vicenik bricht zusammen.”
Es ist der Moment, in dem Geller das Foto seines Lebens gelingt. Man sieht den Saarbrücker Polizeichef, wie er sich über den Angeschossenen beugt. Auch im Bild: Zivilpolizisten, die davonrennen. Schaulustige, Reporter, ein Hubschrauber. Alles in schwarz-weiß, leicht unscharf.

Mit dieser Aufnahme gewann Wolfgang Peter Geller den Wettbewerb World Press Photo 1972.
Ein Anruf mit Folgen
Wir haben mit dem Fotografen, der heute als Unternehmer südlich von Hamburg lebt, über das damalige Geschehen und seine Folgen gesprochen.
Herr Geller, wussten Sie beim Fotografieren gleich, dass Ihnen da etwas Besonderes gelungen ist?
Nein, das konnte man damals nie wissen. Wir haben ja noch analog fotografiert und sahen erst nach dem Entwickeln des Films das Ergebnis. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass ich die Situation gut erwischt habe. Dass es einen Platz in den Geschichtsbüchern der Fotografie finden würde, konnte man aber nicht ahnen.
Ihr Foto ist 1972 beim Wettbewerb um das beste Pressebild des Jahres ausgezeichnet worden. Daneben wurden Sie auch für die beste Reportage geehrt. Solch ein Doppelschlag ist nicht vielen Fotografen gelungen. Wie hat die Jury ihre Entscheidungen begründet?
Gar nicht. Anders als heute gab es damals noch keine Begründungen und auch keine großen Feiern. Ich bekam einen Anruf, da wurde mir gesagt, ich hätte gewonnen. Das war’s mehr oder weniger. Später habe ich dann gehört, dass meine Aufnahme die besondere Dynamik dieses Augenblicks wohl so eingefangen habe wie keine zweite. Und die Unschärfe des Bildes habe genau diese Dynamik noch unterstrichen.
Welche Türen hat Ihnen der World Press Photo Award geöffnet?
Tatsächlich einige. Ich war ja als freier Fotograf tätig. Pressejobs waren ein Teil, Werbe- und vor allem Modefotografie ein weiterer meiner Arbeit. Gerade in diesem Bereich kamen nun vermehrt Anfragen rein. Ich habe zum Beispiel die Werbespots für Fielmann („Mein Papi hat keinen Pfennig dazu bezahlt“) fotografiert. Daran erinnert man sich vielleicht noch heute.
In seiner Redaktion wurde der Sieg Gellers zünftig gefeiert.
Verfolgen Sie den World-Press-Photo-Wettbewerb heute noch?
Ja, schon. Ich stelle dabei fest, dass er sich sehr stark verändert hat. So wie auch unsere Sehgewohnheiten. Mit den Fotos von damals würde man den Wettbewerb heute wohl nicht mehr gewinnen. Mir fällt insbesondere auf, dass es inzwischen viel weniger um reine Nachrichtenbilder geht. Ein Bild wie das aktuelle Pressefoto des Jahres von Mohammed Salem hätte es zu meiner Zeit vermutlich gar nicht gegeben.
Weil Sie das diesjährige Siegerbild ansprechen: Wie gefällt es Ihnen, was sagen Sie dazu?
Ich finde es großartig. Es ist ungeheuer emotional, obwohl wir nicht einmal ein Gesicht sehen können. Dieser Umstand macht die ganze Magie des Fotos aus, das aus meiner Sicht vollkommen zurecht ausgewählt wurde.
Und die Aufnahme von Eddie Jim, den wir in Oldenburg als Gast unserer Vernissage haben?
Dafür gilt unbedingt das Gleiche. Es geht ja nicht ums reine Dokumentieren einer Situation. Das Beste, was Fotografie leisten kann, ist Gefühle und Emotionen auslösen. Das ist Eddie Jim vortrefflich gelungen. Und er zeigt mit nur einem einzigen Bild die ganze Dimension eines Problems auf, das uns alle bewegt. Ich ziehe wirklich meinen Hut davor.
Hier geht es zu einem Filmbeitrag des Saarländischen Rundfunks zum Kriminalfall von Köln und Baltersweiler.