Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“: über Person und Werk des Fotografen Sebastião Salgado
„Menschen sind ihm wichtig, er liebt sie“, sagt Filmemacher Wim Wenders über Sebastião Salgado in den ersten Szenen des Films, der gestern vor ausverkauftem Haus im Cine k gezeigt wurde. Vielleicht kommt es daher, dass der Fotograf es schafft, so ohne jegliche Distanz und mit einer fast unbegreiflichen Intensität die Seele der Portraitierten auf Bildern festzuhalten. Tief hat er sich auseinandergesetzt mit der menschlichen Existenz. Der Tod, das Leid haben ihn bewegt.
Salgado wächst mit sieben Schwestern in einer brasilianischen Kleinstadt auf. Er verlässt sie, um in Vitória Wirtschaftswissenschaften zu studieren. „Ohne seine Mitstudenten hätte er das Studium nicht geschafft; er war ein Faulpelz, ein Herumtreiber“, erzählt sein Vater trocken, aber auch mit einem liebevollen Augenzwinkern. Hier lernt Salgado seine spätere Frau Lélia kennen, die das Motiv seines ersten Bildes ist – wohlgemerkt aufgenommen nicht mit seiner, sondern ihrer Kamera. Mit Lélia lebt er in Paris und London, wo er zunächst Karriere als Banker macht, bis er seiner eigentlichen Leidenschaft nachgeht und die Fotografie zu seinem Beruf macht. Für seine Projekte ist er viel auf Reisen, bleibt oft monatelang weg von Frau und Kindern.
Nach einem Jahrzehnt in der Fremde gibt er der Sehnsucht nach Lateinamerika nach, „Otras Americas“ entsteht. Im Norden seines Heimatlandes Brasilien fängt Salgado das Leben der Bewohner ein, fotografiert ihr überwiegend armes, nacktes, leidvolles Dasein. Der Tod ist stets präsent – die Kindersterblichkeit ist damals noch hoch – und liegt doch so manches Mal ganz nah am Leben. Im Film zeigt Salgado ein Bild von einem Laden, in dem es Schuhe, Gemüse, Eis gibt – und Särge.

Sterben als Bestandteil des Lebens – Salgado hat es oft gesehen. In der Sahelzone in einem Lager für Flüchtlinge, die vor der Hungersnot fliehen. In Ruanda Mitte der 1990er Jahre, wo Leichen durchgehend eine 150 Kilometer lange Straße säumen. Aber auch inmitten Europas, während der Jugoslawienkriege. Salgado bleibt nie auf Distanz, sondern sucht stets die größtmögliche Nähe zu seinen Motiven. Auch innerlich. „Ein Portrait macht man nicht. Der Portraitierte schenkt es einem.“
Ob ihn seine Arbeit hat zerbrechen lassen?
„Nach Ruanda habe ich an nichts mehr geglaubt. Die Menschheit konnte nicht mehr weiterexistieren. Niemand hatte verdient zu leben. Niemand“, äußert Salgado seine Gedanken in dieser Zeit. Seine Antwort ist, sich der Natur zuzuwenden. Mit seiner Frau pflanzt er Millionen Bäume auf der Farm seiner Eltern. Diese „Hommage an den Planeten“, wie er sie nennt, heilt seine Verzweiflung. Nicht Grausamkeit und Zerstörung der Menschheit, sondern Anmut und Schaffenskraft der Natur zeigt der Fotograf in den kommenden Jahren.
Am Schluss sieht man Salgado über einen tiefgrünen Wald blicken, gealtert, verständig, in absoluter Ruhe mit sich selbst und seiner Umgebung. „Wenn ich einmal sterbe, wird das Land meine Geschichte weiter erzählen.“