Andreas Burmann

Führungen auf Augenhöhe

Das Erfolgskonzept „Schule@Museum“ geht 2023 ins vierte Jahr

Wie wäre es, wenn Jugendliche sich von Gleichaltrigen durch eine Ausstellung führen lassen könnten, statt gestandenen Museumspädagog:innen zu lauschen? Im Oldenburger Schloss ist dieses besondere Führungsangebot seit 2020 ein fester Baustein in der jährlichen World-Press-Photo-Ausstellung.

Das Projekt „Schule@Museum“ bringt Schüler:innen der IGS Kreyenbrück und der IGS Flötenteich über ein Schulhalbjahr hinweg die Arbeit in der Kunstvermittlung nahe. Die Vorbereitungen für die kommende Ausstellung laufen auf Hochtouren. Und obwohl es sich bei Schule@Museum um ein freiwilliges Zusatzangebot handelt, für das es nicht einmal eine Note im Zeugnis gibt, ist die Begeisterung bei den Neunt- und Zehntklässler:innen am Flötenteich und in Kreyenbrück ungebrochen.

Auch dieses Mal haben sich wieder zehn Schüler:innen von jeder IGS gefunden, die in regelmäßigen Treffen mit ihren Lehrkräften Sven Kromminga und Dirk Kravagna sowie Kunstvermittlerin Vanessa Reis den Ausstellungskatalog durcharbeiten, zu den Hintergründen einzelner Fotoreihen recherchieren und das freie Sprechen vor größeren Gruppen üben.

Welche Fotos Teil ihrer Führung sind, entscheiden die Schüler:innen selbst.

Eine tolle Übung fürs Selbstbewusstsein

Sven Kromminga ist Lehrer an der IGS Flötenteich und gehört zu den Initiator:innen des Projekts. Die Arbeit an Schule@Museum macht er mit viel Leidenschaft und schafft es Jahr für Jahr, dass auch bei seinen Schüler:innen der Funke überspringt. Einige von ihnen sind neu dabei, andere waren schon im letzten Jahr Teil der Projektgruppe. Zum Beispiel Fenna. „Ich mache nochmal mit, weil ich an Ereignissen rund um die Welt interessiert bin und anderen davon berichten möchte“, erzählt sie. Ihre Mitschülerin Lena ergänzt: „Es ist außerdem eine gute Übung und positiv fürs Selbstbewusstsein, frei vor fremden Gästen zu sprechen.“

Einen Push fürs Selbstbewusstsein erhoffen sich auch einige der Neulinge im Team von Sven Kromminga. „Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welchen Unterschied es macht, wenn Schüler:innen gleichaltrige Gäste durch die Ausstellung führen“, findet er – und sieht auch einige Vorteile, die sich positiv auf den Unterricht in der Schule auswirken: „Bei den Führungen werden so viele verschiedene Ebenen angesprochen. Das kann ein normaler Unterricht nicht abdecken.“

Bei den Führungen kommt jede Menge Infomaterial zum Einsatz.

Emotionale Zugänge zum Weltgeschehen

Kunstvermittlerin Vanessa Reis fügt noch einen weiteren Aspekt hinzu, der die Arbeit an Schule@Museum für sie besonders spannend macht: „Das Projekt liefert den Schüler:innen einen anderen Zugang zur Institution Museum und weckt Interesse an gegenwärtigen Themen. Die damit verbundene Vermittlungsarbeit erhält bei den Schüler:innen dadurch einen ganz anderen Stellenwert.“

Lehrer Dirk Kravagna ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Er betreut die Projektgruppe der IGS Kreyenbrück und hat deren Arbeit schon in den Vorjahren gespannt verfolgt. „Das Projekt ist in der Vielfältigkeit seiner Lernmöglichkeiten einzigartig“, so Kravagna. „Es ermöglicht den Schülerinnen und Schülern fachübergreifend, die im Unterricht behandelten Themen auch außerhalb der Schule zu erleben. Durch die World Press Photos bekommen sie oft sehr emotionale, persönliche Zugänge dazu.“

In der Aufbauwoche gibt Kuratorin Martha Echevarria den Schüler:innen letzten Input über die Geschichten hinter den Bildern.

Feinschliff vor Ort

Dass das Gelingen der Führungen von Schüler:innen für Schüler:innen eine große Herzensangelegenheit für alle Beteiligten ist, wird spätestens in der Woche vor der Eröffnung spürbar. Denn nun passiert die eigentliche Arbeit: Die Schüler:innen können endlich vor Ort üben. Die genaue Verteilung der Fotos in den Ausstellungsräumen übernimmt die Kuratorin der World-Press-Photo-Stiftung aus Amsterdam. Klar, dass sie den Schüler:innen dabei so manche kluge Frage zu ihrer Arbeit beantworten muss.

Welches ihrer ausgesuchten Fotos wo im Dachgeschoss des Oldenburger Schlosses hängen wird, welche Distanzen sie zwischen ihren Stationen überbrücken müssen und wie sehr sich die Akustik in den großen Räumen von der im Klassenzimmer unterscheidet – all das erfahren die Nachwuchsvermittler:innen erst jetzt.

„Das ist schon etwas anderes als ein Referat im Unterricht“ sind sich alle einig. Doch sie sind mit Ehrgeiz dabei, feilen hochkonzentriert an ihren Routen durch die Räume, überarbeiten ihre Kärtchen mit Notizen und üben in Kleingruppen die richtige Körperhaltung und Lautstärke, damit sie in den folgenden Wochen perfekte Führungen abliefern können. Mindestens genauso gut wie die gestandenen Profis.

 

Auch in diesem Jahr stehen an ausgewählten Vormittagen wieder einstündige Zeitfenster zur Verfügung, die gegen vorherige Anmeldung für eine Führung durch die Projektgruppe von Schule@Museum gebucht werden können. >> Weitere Infos