Ohne Zweifel hat sich die COVID-19-Pandemie innerhalb kurzer Zeit zu der allgegenwärtigsten Krise weltweit entwickelt. So ist sie auch ein wiederkehrendes Thema in der World-Press-Photo-Ausstellung. Mal nüchtern, mal schonungslos und mal hoffnungsvoll dokumentieren die Fotos die Auswirkungen der Pandemie auf Menschen und Gesellschaft.
Die Berufsgruppe der Ärzt:innen und Pflegekräfte steht seit Ausbruch von COVID-19 unter extremer Belastung. Iván Macías zeigt mit seinem Foto eine Ärztin in Mexiko am Ende ihrer Schicht und offenbar auch am Ende ihrer Kräfte. Sie wirkt abgekämpft und erschöpft, mit deutlichen Abdrücken der Schutzmaske und -brille im Gesicht. Das Bedrückende an diesem Foto ist die Erkenntnis, dass es dem Großteil aller Ärzt:innen und Pflegekräfte so ergeht.
Neben den harten Arbeitsbedingungen sind unzureichende Berichterstattung und Fehlinformationen in Bezug auf den Umgang mit COVID-19-Erkrankten ein großes Problem für das Gesundheitswesen. Auf dem Foto von Joshua Irwandi ist ein Coronavirus-Opfer in Indonesien zu sehen, welches entgegen der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation in Plastikfolie eingewickelt und mit Desinfektionsmittel besprüht ist. Angehörigen war es nicht erlaubt, die Verstorbenen gemäß traditioneller Beerdigungsriten zu bestatten. Das Foto gewann den zweiten Preis in der Kategorie Reportagen und sorgte bei seiner Veröffentlichung für viel Aufruhr, Angst und Kritik gegenüber den Corona-Maßnahmen. Es zeigt zudem die ungeschönte Realität eines möglichen Verlaufs einer COVID-19-Infektion.
Liebe kennt keine Grenzen
Durch die anhaltenden Kontaktbeschränkungen sind viele zwischenmenschliche Interaktionen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Besonders ältere und kranke Menschen leiden darunter. Das „Pressefoto des Jahres“ von Mads Nissen widmet sich diesem Thema. Zu sehen ist eine 85-jährige Pflegeheimbewohnerin in enger Umarmung mit ihrer Krankenschwester. Aufgrund des strikten Besuchsverbots ist es ihre erste Umarmung seit fünf Monaten. Möglich macht dies ein Vorhang aus Plastik mit jeweils einem Paar Ärmel auf jeder Seite, der die Infektionsgefahr unterbindet. Ein Blick auf das Foto reicht aus, um zu verstehen, wie wichtig körperliche Nähe für das seelische Wohlbefinden ist.
Nicht nur die Kontaktbeschränkungen in sozialen Einrichtungen, sondern auch die Schließung von Landesgrenzen trennten Familienmitglieder, Freund:innen und Paare voneinander. Während der COVID-19-Pandemie schloss die Schweiz zeitweise ihre Grenzen zu Deutschland. Roland Schmid dokumentiert in seiner Fotoserie, wie Zäune und Absperrbänder zwar engen Körperkontakt verhindern, aber Menschen nicht davon abhalten können, ihre Liebsten persönlich zu treffen. Schmid beobachtete viele Menschen dabei, wie sie sich stundenlang an der Grenze trafen, um Zeit miteinander zu verbringen.
Trainingsalternativen unter COVID-19
Neben den zwischenmenschlichen Beziehungen hat die Pandemie auch Einfluss auf diverse Freizeitaktivitäten genommen. Besonders betroffen ist hierbei der Sport, da Fitnessstudios und Vereine zeitweise schließen mussten. Zwei Fotos in der Kategorie Sport zeigen, wie Menschen Alternativlösungen schaffen, um weiterhin ihrer Leidenschaft nachzugehen. Den ersten Preis gewann Adam Petty, der einen jungen Mann aus München begleitet hat, der aufgrund der geschlossenen Kletterhallen stattdessen einen großen Holzstapel für sein Bouldertraining nutzt.
Stephen McCarthy fotografierte sogar einen 87-jähriger Masters-Leichtathleten, der kurzerhand sein eigenes Haus als Sportstätte nutzt und durchs Wohnzimmer joggt. Es macht Mut zu sehen, wie Menschen die Pandemie nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung begreifen. Flexibilität und kreative Lösungen helfen dabei, fit zu bleiben und Spaß zu haben.
Schutzmaske und Umweltschutz
Ein Aspekt der COVID-19-Pandemie, der oft nicht genug Beachtung findet, ist die Auswirkung der vielen Einweg-Gesichtsmasken auf die Umwelt. Die Entsorgung der Masken erfolgt häufig nicht fachgerecht, wie auf dem Foto von Ralph Pace zu sehen ist. Ein Seelöwe schwimmt auf eine FFP2-Maske zu, die er leicht mit Nahrung verwechseln kann. Rund 136.000 Robben, Seelöwen und Wale sterben jährlich, weil sie Plastik fressen oder sich darin verheddern. Ein Problem, das sich durch den immensen Verbrauch der Einweg-Masken verschlimmert.
Kurioses aus dem Corona-Alltag
Aus der oft belastenden Pandemie können auch positive Entwicklungen resultieren, die der Fotograf Jasper Doest in seiner Fotoserie „Pandemie-Tauben – Eine Liebesgeschichte“ festgehalten hat. Während er sich mit seiner Familie zu Hause isolierte, landeten regelmäßig zwei Tauben auf dem Balkon. Später liebevoll auf Dollie und Ollie getauft, durften die Vögel mit der Zeit in die Wohnung und waren Teil des Familienalltags. Laut Doest vermittelten die Tauben ihm das hoffnungsvolle Gefühl, dass selbst ein isolierter Stadtbewohner nicht allein auf der Erde ist. Es ist wohl eine der wenigen Pandemie-Geschichten, die eine Leichtigkeit mit sich bringt und gleichzeitig die Hoffnung auf das Gute selbst in dunklen Zeiten aufrechterhält.
Es ist schwierig eine klare Rolle zu definieren, die Corona im diesjährigen Jahrgang der World-Press-Photo-Ausstellung einnimmt. Die Fotografien zeigen eine Vielfalt von COVID-19-Geschichten und nehmen so verschiedene Rollen ein: Sie dokumentieren, informieren und offenbaren persönliche wie auch emotionale Erlebnisse. Dabei wird deutlich, wie ähnlich die Probleme der Menschen in der Pandemie sind. Ein tröstlicher Gedanke, der zugleich an den gesellschaftlichen Zusammenhalt appelliert, um diese Krise gemeinsam durchzustehen.