Wie sehen Blinde die Welt?

Kilian Foerster über sein Fotoprojekt mit Blinden, zeitlose Arbeiten und wie auch Sehende ihre Wahrnehmung durch dieses Projekt erweitern können.

Kilian Foerster über sein Fotoprojekt mit Blinden, zeitlose Arbeiten und wie auch Sehende ihre Wahrnehmung durch dieses Projekt erweitern können. Am Sonntag, dem 26. Februar 2017, stellt er seine Arbeit im Rahmen des Begleitprogramms der World Press Photo-Ausstellung in der Buchhandlung Isensee vor. Wir haben ihm vorab ein paar Fragen zu seinem Projekt gestellt.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Fotoprojekt mit Blinden zu starten?

Kilian Foerster: Mich hat interessiert, was blinde Menschen „sehen“ können. Als Fotograf achte ich natürlich mit besonders scharfem Blick auf meine Umgebung. Dann habe ich ein bisschen recherchiert, ob es so etwas Ähnliches schon mal gegeben hat und zu meiner Verwunderung festgestellt, dass solche Arbeiten in dieser Form noch nicht veröffentlicht worden sind.

Wie findet man Teilnehmer für so eine Aktion?

Dass ich so ein Thema nicht alleine machen kann, ist vollkommen klar. Deswegen habe ich mich natürlich hier in Hamburg erst mal an den Blinden- und Sehbehindertenverein gewandt. Und da hatte ich das riesig große Glück, dass der damalige Pressesprecher Heiko Kunert von Anfang an Interesse hatte. Ohne das geht es gar nicht, sonst hat man keine Chance.

Wieso war dieser Umweg über den Verein notwendig?

Als Außenstehender ist es fast unmöglich, Leute für ein Projekt dieser Art zu finden. Das Problem war einfach, dass – aus gutem Grund natürlich – Blinde und Sehbehinderte vorsichtig sind, wenn sie von anderen Leuten fotografiert werden und die Bilder nicht sehen können.

Wie haben Sie den Teilnehmern diese Angst genommen?

Indem ich ihnen versicherte, dass ich nichts mache, was jemanden in einem schlechten Licht dastehen lässt. Sie können das gerne von Freunden und Bekannten ansehen lassen – wenn die sagen, das ist völlig daneben, dann nehmen wir das auch nicht. Aber die Teilnehmer waren alle damit zufrieden, es war für alle okay.

Wie lief das Projekt ab?  

Den Leuten habe ich gesagt „Ich mach’ ein Porträt von Ihnen, schwarz-weiß, und Sie bekommen von mir eine Automatikkamera, auf die Sie nur draufdrücken müssen. Den Fokus habe ich auf unendlich eingestellt. Machen Sie damit ein Bild von einem Ort, der Ihnen vertraut ist.“ Danach habe ich sie gefragt, was auf dem Bild zu sehen ist und ihre Beschreibung dazugeschrieben.

Warum war es Ihnen wichtig, dass die Blinden selbst fotografieren?

Weil ich kein Projekt über, sondern ein Projekt mit diesen Leuten machen wollte. Über die Leute ist echt einfach, das hat es schon alles gegeben. Aber das ist ja gerade der Clou dabei: Dass sie auch selbst mitmachen.

Hat Sie das Projekt auch persönlich beeinflusst?

Ja, zum Beispiel meine Vorstellung von der Wahrnehmung der Blinden. Bevor ich das Ganze gemacht habe, hatte ich mit Blinden und Sehbehinderten im Grunde nichts zu tun. Ich hatte natürlich wie die meisten diese Vorstellung, dass sie sich nur in einem dunklen Raum bewegen und alles düster ist. Wenn man aber ihre Bilder betrachtet und dann liest, was die blinden Fotografen selbst wahrnehmen, bekommt man eine andere Idee davon. Ich glaube, jeder kann davon profitieren, sich dessen bewusst zu werden.

Das Projekt liegt schon eine Weile zurück …

Richtig, aber das Projekt ist in gewisser Weise zeitlos. Deswegen ist es egal, ob es 2011 ware oder letztes Jahr. Ich versuche, meine Arbeiten nicht an einen bestimmten Zeitpunkt festzumachen, sondern sie so rüberzubringen, dass sie auch über einen längeren Zeitraum hinweg interessant sind.

Fotos: Katharina Friese, Ruth Wunsch, Kilian Foerster