Zum Sprachkurs ins Museum

Warum die World Press Photos zum Austausch anregen

Foto: Mediavanti

Während der World Press Photo Exhibition zieht das Oldenburger Schloss ganz unterschiedliche Besucher an: Jung und Alt, Kenner sowie Hobby-Fotografen, Kulturinteressierte und Touristen. Neben Privatpersonen besuchen aber auch Gruppen die Ausstellung der weltbesten Pressefotos. Maria Kaczyńska und Rasha Ahmad belegen an der Oldenburger Volkshochschule einen Deutschkurs und sind mit weiteren Teilnehmenden ins Landesmuseum gekommen – Unterricht im Schloss, sozusagen. Julia Makowski hat die beiden begleitet und berichtet über den Vormittag in der Ausstellung.

„Diese Fotos – sie gehen einfach unter die Haut“, erzählt mir Maria Kaczyńska, als wir gemeinsam im größten unserer vier Ausstellungsräume stehen. Die gebürtige Polin belegt derzeit einen Intensivsprachkurs an der VHS und hat sich sehr über die Exkursion zur World Press Photo-Ausstellung gefreut. „Hier kommen wir raus aus den Lehrräumen und rein ins Gespräch – die beste Übung“, fährt sie fort, als wir an den gleichermaßen berührenden wie aufrüttelnden Fotografien von Laurent van der Stockt und Vadim Ghirda vorbeigehen.

Nach nur wenigen Metern stoppt sie: „Das hier. Mein Favorit der Ausstellung“, sagt sie und zeigt auf das prämierte Werk des deutschen Fotografen Daniel Etter. Es zeigt zwei Nigerianerinnen, die auf ihrer Flucht nach Europa in einem libyschen Gefangenenlager gelandet sind. Körperliche und sexuelle Gewalt gehören dort zum Alltag und den Schmerz, den die Geflüchteten vermutlich täglich erfahren, kann man beim Betrachten des Bildes förmlich spüren.

Foto: Mediavanti

 

„Dieses Foto zeigt Angst,  eine menschliche Tragödie, einfach ganz viele Gefühle. Ich kriege Gänsehaut, wenn ich es sehe.“

Maria Kaczyńska

Marias Freundin Rasha aus dem Sprachkurs begleitet uns auf unserem Weg durch die World Press Photo-Ausstellung. Als ich sie frage, was sie zu Etters Fotografie denkt, schüttelt sie nur den Kopf. „Gehen wir in den Nebenraum“. Okay, gehen wir. Erst verstehe ich nicht, warum sie im wahrsten Sinne des Wortes die Flucht ergreift. Auf dem Weg erklärt sie ihre Reaktion: „Ich komme aus Syrien. Dieser Raum ist einfach zu viel für mich.“ Krieg, Zerstörung und Schrecken möchte die junge Frau, die erst seit drei Wochen Deutsch lernt, einfach nicht mehr sehen. Stattdessen: Bilder, die aufmuntern und Mut machen. Genau das sieht sie in Jonathan Bachmans Siegerfoto: Iesha Evans behauptet sich auf einer Kundgebung gegen Polizeigewalt gegenüber der schwarzen Bevölkerung vor dem Polizeirevier in Baton Rouge, Louisiana – in den sozialen Netzwerken spiegelt sich der Protest vor allem im Hashtag #blacklivesmatter. Von dieser Pose der Protagonistin Evans ist Rasha beeindruckt:

 

„Warum tragen all die Polizisten ein Visier? Warum stehen dort so viele Bewaffnete gegen eine einzige Frau? Iesha strahlt Ruhe aus, sie wirkt stark. Ein Symbol für Hoffnung.“

Rasha Ahmad

Auch der Rest der Gruppe tauscht sich intensiv über die Bilder aus. Die Sprachschülerinnen schießen Fotos ihrer Favoriten nutzen die Sitzgelegenheiten, um in kleineren Runden das Gesehene zu diskutieren – denn sie regen zum Nachdenken an, ernüchtern, schockieren und zeigen uns auf eindringliche Weise, wie unsere Welt heute aussieht. „Für uns Teilnehmer des Sprachkurses war der Ausflug ins Museum auf jeden Fall super“, sagt Maria abschließend, „man lernt eine Sprache am besten, wenn man sie einfach spricht – und hier gibt es genug Gesprächsstoff“. Ja, den gibt es. Und auch wir finden es toll, dass die World Press Photos das Schloss zu einem Ort der Begegnung und vor allem des Austausches machen – jedes Jahr aufs Neue.

Gastautor:in

Wir lassen in unserem Magazin nicht nur unsere festen Teammitglieder, sondern auch Praktikant:innen und Fotograf:innen zu Wort kommen. Ihre Beiträge werden dann am Ende des Textes namentlich gekennzeichnet.

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