Regenerative Landwirtschaft in Indien, US-amerikanische Forschung zu Meeresalgen als Allzwecklösung oder ein Leben in Symbiose mit den Mangrovenwäldern Kenias – die rund 50 Fotos der diesjährigen Sonderschau von „The Everyday Projects“ haben eines gemeinsam: Sie zeigen Menschen in aller Welt, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise mit der Klimakrise beschäftigen. Sie passen sich an, um mit ihr leben zu können, oder suchen nach Lösungen, um nicht mit ihr leben zu müssen.
Sehen heißt glauben
Jedes Jahr werden auf den Feldern im Nordwesten Indiens unzählige Tonnen Pflanzenrückstände verbrannt. Die Folge: Dichter Smog verschmutzt die Luft, die – gefüllt mit Rußpartikeln – Dunst, Hitzewellen und schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursacht. Aber warum verbrennen die Landwirt:innen ihre Felder? „Die meisten Menschen setzen diese jahrzehntealte Praxis fort, weil sie unter Zeitdruck stehen und knapp an finanziellen Mitteln sind“, erklärt die indische Fotojournalistin Smita Sharma, die die Menschen auf den Feldern im Bundesstaat Punjab begleitet hat. „Es ist eine Reaktion auf klimabedingt verkürzte Anbausaisons und behördliche Vorschriften.“
Gurdeep Singh ist Landwirt in vierter Generation und begann bereits 2017, alte Pflanzenreste zu Mulch zu zerkleinern, statt sie zu verbrennen. Gurdeep hat deutliche Verbesserungen in der Qualität und im Ertrag des Getreides festgestellt und glaubt, dass seine Pflanzen im Vergleich zu denen, die mit traditionellen Methoden bewirtschaftet werden, besser starken Winden standhalten können.
Doch zunehmend setzen sich klimagerechtere Bewirtschaftungsmethoden durch, denn inzwischen weiß man hier um deren Vorteile: Gesündere Böden werden gefördert, die Kohlenstoffemissionen verringert und dadurch die Bedingungen zum Anbau von Nahrungsmitteln verbessert. Die Bereitschaft der Menschen vor Ort wächst stetig, und immer mehr von ihnen entschließen sich, ihre Felder fortan klimafreundlich zu bewirtschaften. „Für viele aus der Gemeinschaft gilt dennoch weiterhin: Nur sehen heißt glauben. Man muss die Leute einbinden und aufklären.“
Meeresalgen als Kohlenstoffspeicher
Meeresalgen werden schon jetzt vielerorts als vielseitige Lösung für den Klimawandel gefeiert. Sie können Kohlenstoff über Jahrhunderte aufnehmen und binden, nährstoffreiche Nahrung für die Weltbevölkerung liefern und den Methanausstoß von Rindern reduzieren. Und zwar ganz ohne Düngemittel, Frischwasser oder Anbauflächen an Land. Das Forschungsteam Running Tide aus dem US-Bundesstaat Maine leitet ein Experiment zur Aufzucht von Meeresalgen. Die Fotografin Lauren Owens Lambert dokumentierte die Arbeit des Teams und zeigt in ihren Bildern die Teilaspekte der Forschung, die wichtig sind, um künftig Meeresalgenfarmen im großen Stil möglich zu machen.
In der Makroalgen-Aufzuchtstation von Running Tide stehen mit Algen gefüllte Glasgefäße in einem gekühlten Behälter mit farbigem Licht, um das Wachstum und die Gesundheit der Algen zu testen.
Meeresalgenwälder bedecken derzeit etwa zwei Millionen Quadratkilometer und nehmen so viel Kohlenstoff auf wie der Amazonas-Regenwald. Ihn gezielt in den Algen einzulagern und über Jahrhunderte auf dem Meeresboden zu lagern, ist der Ansatz des Forschungsteams. Noch ist aber nicht klar, wie effektiv diese Lösung wirklich ist. Doch Marty Odlin, der Gründer von Running Tide, sieht keinen Grund zu warten, bis alle potenziellen Schwierigkeiten ausgeräumt sind: „Wir haben keine Zeit, 30 Jahre damit zu verbringen, Fragen theoretisch zu beantworten, die nur durch tatsächliches Ausprobieren wirklich beantwortet werden können.“
Die Lebensader von Pate Island
Im Einklang mit der Natur leben und diese schützen – für die Bewohner:innen der kenianischen Insel Pate ist dies ein hart umkämpftes Ziel. Die örtlichen Mangrovenwälder liefern Bau- und Brennholz, ernähren das Vieh und werden zudem in der traditionellen Medizin eingesetzt. Sarah Waiswa begleitet in ihrer Fotoreportage Zulfa Hassan und die Mtangawanda Women’s Association, die sich gemeinsam für den Erhalt der Mangrovenwälder und die Pflege eines großen Wiederaufforstungsgebiets einsetzen.
Zulfa Hassan breitet mit Schlamm gefüllte Beutel in der Nähe der Gärtnerei auf dem Boden aus. Sie werden zum Einpflanzen der Mangroven-Setzlinge benötigt.
Diese Arbeit unterstreicht die entscheidende Rolle, die die Erneuerung von Mangroven bei der Minderung des Klimawandels in Kenia und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent spielt“, ordnet Sarah Waiswa ihre Fotografien ein. Die gebürtige Uganderin fotografierte die Reportage im Auftrag von The Nature Conservancy, einer globalen Nonprofit-Organisation, die in Umweltschutzprojekten in 79 Ländern agiert.
Die Fotografien von Smita Sharma, Lauren Owens Lambert und Sarah Waiswa werden ergänzt von den Arbeiten von vier weiteren Fotograf:innen aus Guatemala, den USA, Sierra Leone und den Philippinen. Sie alle legen den Fokus ihres Schaffens darauf, nicht nur die Realität abzubilden, sondern vor allem auch Hoffnung zu vermitteln. Hoffnung, dass auch im Kleinen Großes entstehen kann und jede Veränderung in die richtige Richtung zu einer besseren Zukunft beiträgt.
Der Eintritt zur Sonderschau „The Everyday Projects: Hoffnung in der Klimakrise“ im Rahmen der diesjährigen World-Press-Photo-Ausstellung ist im regulären Museumseintritt enthalten.