Garry Lotulung

Von Loris, Pythons und Geparden

Die Sonderschau „The Everyday Projects: Gefährdete Tierarten“ zeigt rund 50 Aufnahmen aus Nord- und Südamerika, Afrika und Asien

Auch in ihrem inzwischen vierten Jahr bietet eine Sonderschau von „The Everyday Projects“ eine wertvolle Ergänzung zur World-Press-Photo-Ausstellung. In erneuter Kooperation mit dem global agierenden Foto-Kollektiv ist diesmal eine Zusammenstellung von rund 50 Fotos zum Thema gefährdete Tierarten entstanden. Sechs Fotograf:innen aus Uganda, Kolumbien, den USA, Großbritannien und Indonesien zeigen eine Auswahl aktueller Projekte.

Ein Mitarbeiter der International Animal Rescue (IAR) entlässt einen mit Peilsender ausgestatteten Lori zurück in die Wildnis der Insel Java.

Seit ihrer Premiere 2020 ergänzt eine Sonderschau aus dem Umfeld der „Everyday Projects“ die prämierten Pressefotos stets um einen zusätzlichen, jährlich wechselnden Aspekt und öffnet den Blick für Themen, die wir in den Zeitungen viel zu oft nur überfliegen.

Der Handel mit exotischen Wildtieren wirkt sich immens auf die Artenvielfalt aus. Viele Arten unterliegen auch bei uns in Deutschland noch immer keinerlei Schutzbestimmungen und sind in Heimtiergeschäften frei erhältlich. Nicht selten wächst den Käufer:innen die Tierhaltung über den Kopf, ausgesetzte Tiere bringen daraufhin das heimische Ökosystem aus dem Gleichgewicht. In Asien und Südamerika blüht der illegale Handel mit Wildtieren oder ihren Körperteilen nach wie vor – wer gemahlenen Schildkrötenpanzer einnehme, werde so manche Krankheit los, heißt es etwa in der traditionellen chinesischen Medizin.

Große Hoffnung und unendliches Leid

Die Fotograf:innen der Sonderschau zeigen in berührenden Bildern, was die menschliche Gier nach Exotik im heimischen Wohnzimmer und der immerwährende Heilungsmythos um Elfenbein, Gürteltierschuppen und Co. in der Tierwelt anrichten. Sie zeigen ein Abbild der bitteren Realität, in der südostasiatische Affenarten in engen Käfigen sitzen und Gepardenjunge als Haustiere in die Emirate verkauft werden, lassen uns als Betrachtende aber auch Hoffnung schöpfen. Hoffnung auf mehr Tierschutzorganisationen wie die International Animal Rescue (IAR), die auf der indonesischen Insel Java für die Wiederansiedelung einer seltenen Lori-Art kämpft, oder den Space for Giants, eine Initiative, die das friedliche Zusammenleben von wilden Elefanten und Dorfbewohner:innen in Uganda auf besondere Art fördert.

Ein Orang-Utan rüttelt an der Tür seines Käfigs in einem Zoo in China.

Eine der Fotograf:innen, die ihre Fotos im Oldenburger Schloss zeigen, ist Celina Chien. Ihr Foto eines Orang-Utans in einem chinesischen Zoo erreichte 2021 die Finalrunde des renommierten Wettbewerbs um die Auszeichnung „Wildlife Photographer of the Year“ und war in der tourenden Ausstellung dazu unter anderem beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu sehen. „Der Anblick dieses Orang-Utans brachte mich sofort zum Weinen“, erinnert sich Chien an den Moment der Aufnahme, „denn ich musste hilflos zusehen, wie er an der vergitterten Tür seines Käfigs rüttelte.“

Vom originellen Haustier zur wilden Bedrohung

Was als Haustiere gedachte Exoten in der heimischen Tierwelt anrichten können, zeigt die Fotografin Gena Steffens. In den Everglades in Florida begleitet sie ein Forschungsteam, das dort nach Wegen zur Bekämpfung der wachsenden Python-Plage sucht. Seit den 1990er-Jahren ist aus einzelnen, ausgesetzten Tieren eine eigenständige Population mit Zehntausenden von Pythons erwachsen, die als Fressfeinde die heimischen Wildtiere nahezu ausgerottet haben.

Ian Bartoszek und Katie King fangen in den Everglades die 22 Kilogramm schwere Schlange Johnny. Sie wurde von der Forschungsgruppe als “Lockvogel” eingesetzt, um Artgenossen aufzuspüren. 18 Pythons konnten dank Johnny einfangen werden.

Ein ausgewachsener Dunkler Tigerpython kann bis zu vier Meter lang und bis zu 90 Kilogramm schwer werden. Damit gehört er zu den größten Schlangen der Welt. Schätzungen zufolge sind rund 90 Prozent des Bestands an kleineren Säugetieren in den Everglades bereits verschwunden. Die Landschaft sehe zwar noch aus wie früher, beschreibt Steffens in einem Artikel für das Smithonian Magazine, „aber es herrscht auch eine merkwürdige Stille. Auf den Campingplätzen im Nationalpark durchforsten keine Waschbären mehr die Mülleimer, entlang der Wanderwege verstecken sich keine Kaninchen mehr, wenn du vorbeiläufst.“

Die Fotografien von Gena Steffens, Celina Chien und ihren Kolleg:innen rütteln die Betrachtenden wach. Sie zeigen die vielen Facetten der Bedrohung, die vom Menschen ausgehen und die Artenvielfalt in der Welt immer weiter dezimieren. Es ist an uns allen, dem entgegenzuwirken. Zu wissen, was geschieht, ganz ungeschönt und echt, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nicht zuletzt dafür brauchen wir die Pressefotografie und Ausstellungen wie diese.