Antine Karla Yzer

Zwischen Intimität und Gesellschaft

Mit ihrer Kamera erzählt Antine Karla Yzer von Gefühlen und Gesellschaft.

Die 30-jährige Antine Yzer studiert in Hamburg Fotografie im Master und hat schon einige ihrer Arbeiten veröffentlichen und ausstellen dürfen. Mit „Fenster zur Hecke“ schaffte sie es 2022 ins Finale beim „Neuen BFF Förderpreis“ und auf die Shortlist des Vonovia Award für Fotografie in der Kategorie „Beste Fotoserie“.

Ihre Fotos zeigen die tiefsten Emotionen der Menschen, die abgebildet sind. Sie schaffen eine Verbindung zwischen Innen- und Außenwelt, verknüpfen intime Gefühle mit dem gesellschaftlichen Kontext, in dem sie entstehen. Antine Yzer versteht sich als Erzählerin – und ihre Sprache ist die Fotografie.

Antine Karla Yzer

Mit zwölf Jahren entwickelte Antine eine Liebe zu Bildsprache. „Ich war schon immer kreativ, habe gemalt und gebastelt, hatte aber nie das richtige Medium gefunden, um auszudrücken, was ich erzählen will“, erinnert sie sich. Mit 13 bekam sie ihre erste Digitalkamera geschenkt. Das Medium war gefunden. Schon in der Schule entwickelte sich ihr Weg von Anfang an kunstfokussiert. Es folgte eine Ausbildung zur Food-Fotografin in einem Werbestudio. „Da bin ich mehr oder weniger blind hineingeschlittert. Ich wollte einfach nur irgendetwas mit Fotografie lernen“, schmunzelt Antine. Für eine künstlerische Hochschule fühlt sie sich nicht talentiert genug, möchte zunächst mehr Grundlagen erlernen.

Geschichten erzählen in Bildern

Schnell stellt sich heraus, dass die Ausbildung zwar viel Technik und praktische Fähigkeiten wie das Schreiben von Rechnungen oder die Organisation von Shootings beinhaltet, doch kaum die eigene Bildsprache fördert. Etwas Entscheidendes fehlte: das, was Antine eigentlich als Fotografin ausdrücken wollte. Nach der Ausbildung sparte sie sich ihre erste Profi-Kamera – eine Canon 5D Mark III – zusammen, zog nach Hamburg und begann ihr Studium an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW). Heute ist sie im Master und weiß, dass sie den richtigen Weg gewählt hat.

Antine Karla Yzer

Aber was ist es eigentlich, wovon Antine seit ihrer Kindheit erzählen wollte und heutzutage immer noch will? Tiefsinn. Identitäten. Und die Einordnung dieser in die Gesellschaft – mit all ihren Facetten und Problemen. Früher entstanden viele Selbstporträts. „Ich habe damit einen intimen Blick auf mich und meine Umstände gewährt und dargestellt, wie ich mich selbst in der Gesellschaft verorte“, erklärt Antine. Ihre aktuellen Projekte verfolgen denselben Ansatz, zeigen jedoch zumeist andere Personen. Es geht zum Beispiel um Angststörung, Gender Identity oder die Autobahn – ein Thema, das in Deutschland beinahe absurd wichtig ist und hitzig diskutiert werden kann.

Da braucht es viel Empathie und Geduld, denn um eine ungefilterte Emotion abbilden zu können, muss man diese erst einmal selbst durchblicken. Um das zu erreichen, gibt es häufig mehrere Treffen, bei denen Antine ihre Kamera von Anfang an dabei hat. Ihre Vorgehensweise: zuerst abbilden, was man sieht. Dann verstehen und abbilden, wer die Person ist und was sie fühlt. Anfangs entsteht dabei viel Wegwerfmaterial, bevor es später in die Inszenierung geht. „Ich bin gerade selbst noch dabei, zu lernen, wie ich eine gute Bindung zu den Menschen aufbauen kann, die ich fotografiere“, gibt Antine ehrlich zu.

Fenster zur Hecke

Zu den Menschen aus ihrem Projekt „Fenster zur Hecke“, das von 2020 bis 2022 entstand, hat sie allerdings schon eine Bindung, nämlich im wahrsten Sinne des Wortes familiäre Bande: ihre Großeltern, die in einem Haus in Ostfriesland leben. Antines Mutter wuchs darin auf, sie selbst verbrachte als Kind viele einsame und doch liebevolle Stunden dort.

Antine Karla Yzer

Die eigene Gefühlswelt in ihre Arbeit einfließen zu lassen, fällt Antine leichter, als wenn es Fremde sind. „Sie waren sogar der Auslöser für dieses Projekt“, erklärt sie. „Die Verantwortung, die ich in der eigenen Familie mittrage, hat ein starkes Gefühl ausgelöst, das ich festhalten und verwerten musste.“ So entstand die Serie aus grünen Hecken, weißer Wäsche, einer Schnellstraße und den beiden Menschen, die zwischen roten Backsteinen leben und alt werden. Kindheitserinnerungen treffen auf einen kritischen Blick auf das Alter, Pflege und Rollenverteilung.

In ihrer Bachelorarbeit mit dem Titel „Ich vergehe vor Ungewissheit“ greift Antine das Thema schließlich noch einmal auf, entwickelt es weiter. Es geht um die Weitergabe von Erinnerungen innerhalb der Familie und innerhalb der Gesellschaft am Beispiel des Zweiten Weltkriegs. „Die Diskrepanz zwischen persönlichen und öffentlichen Erinnerungen hat mich selbst überrumpelt“, betont Antine. „Das Projekt verknüpft den familiären Ansatz mit einem theoretischen Hintergrund und ist für mich sehr wichtig.“

Antine Karla Yzer hat ihre Fotoreportage „Fenster zur Hecke“ in ihrer Sonntagsmatinee in der Buchhandlung Isensee am 25. Februar 2024 um 11 Uhr vorgestellt.