Markus Heft

Den Unsichtbaren eine Stimme geben

Markus Heft porträtierte 13 queere Senior:innen in ganz Deutschland.

Queerness und Identität – in seinem Fotografiestudium an der Hochschule Hannover befasst sich Markus Heft von Anfang an vorrangig mit diesen Themen. „Auf der Suche nach einem Semesterprojekt habe ich mich gefragt, warum ich eigentlich keine älteren queeren Menschen kenne“, erinnert sich der 25-Jährige. Also begab er sich auf die Suche.

Über eine Gruppe queerer Senior:innen in Hannover lernte er Wolfgang und Johannes und ihren Sohn Manuel kennen. Er begleitete die drei über ein halbes Jahr. „Zunächst ging es mir einfach darum, Sichtbarkeit für Queerness zu schaffen. Ich wollte Wolfgang und Johannes zeigen, ihr Leben, ihren Alltag.“

Markus Heft

Aus der Geschichte um das queere Paar ist mit der Zeit jedoch etwas Größeres entstanden: die kollaborative Porträtserie „Die Unsichtbaren“. Markus Heft recherchierte monatelang, schickte Anfragen an Gruppen und Vereine in ganz Deutschland. „Am Ende war ich schon fast verzweifelt, denn das Semesterende rückte näher und näher. Kurz vor Weihnachten haben sich dann endlich einige zurückgemeldet.“

Das passende Porträt erschaffen

Zu dem Zeitpunkt hatte Markus Heft nur noch einen Monat bis zur Abgabe am Semesterende. Er traf 13 Senior:innen zwischen 50 und 77 Jahren zum Kennenlerngespräch, zunächst ohne zu fotografieren. „Dabei habe ich Interviews mit ihnen geführt und im Anschluss überlegt, wie ich sie im nächsten Termin fotografisch darstellen möchte.“ Den Anspruch eine komplette, komplexe Persönlichkeit abzubilden, müsse man bei dieser Art von Arbeit ablegen, so die Einschätzung des jungen Fotografen. Sein Ziel war ein präziseres: „Ich wollte ein Porträt schaffen, das zur Person passt – abhängig davon, wie ich sie kennengelernt habe, welche Aspekte ihrer Persönlichkeit sie mir preisgeben will und wie wohl sie sich dabei fühlt.“

Markus Heft

Für „Die Unsichtbaren“ war es am Ende sogar von Vorteil, die Protagonist:innen noch nicht so gut zu kennen. Denn Wolfgang und Johannes sind aus diesem Grund kein Teil der Porträtserie geworden. „Ich wollte die beiden unbedingt mit dabei haben, immerhin hat mit ihnen alles begonnen. Aber es ging einfach nicht mehr“, schildert Heft. „Wir alle waren nicht zufrieden mit den Porträts. Wir waren uns einfach zu vertraut.“

Mit den Älteren in Austausch treten

Welche Botschaft er denen mitgeben möchte, die seine Fotos betrachten und in den zugehörigen Interviews mehr über „Die Unsichtbaren“ erfahren, ist zweigeteilt. „Nicht queeren Menschen möchte ich einfach zeigen: Es gibt auch andere Lebensweisen als eure eigene. Queere Betrachter:innen möchte ich ermutigen: Redet mit der älteren Generation, geht in den Austausch und lernt von ihr. Denn das ist wertvoll und bereichernd für beide Seiten.“

Ihm selbst ist bei seiner Arbeit an der Porträtserie besonders eine Begegnung in Erinnerung geblieben. Mit einem Protagonisten sprach er über das Thema Altersheim – und eine Frage, die diesen sehr beschäftigte. „Er erzählte mir, dass er Angst davor hat, an einem neuen Ort zu leben, den er nicht mehr verlassen wird, an dem er auf Hilfe angewiesen ist. Das hat mich sehr berührt und tieftraurig gemacht“, erinnert sich Markus Heft. „Denn wie verbringt man als queere Person den Abschied vom Leben? Outet man sich erneut, riskiert Ausgrenzung, fängt wieder von vorne an? Oder verschweigt man die eigene Identität, um nicht verletzt zu werden?“

Markus Heft

Es sind nicht zuletzt Gespräche wie dieses, die Markus Heft darin bestärken, seine Arbeit für „Die Unsichtbaren“ auch in Zukunft weiterzuführen – und zwar in Buchform. Hier soll auch eine geschichtliche Einordnung eine Rolle spielen. Von manchen Protagonist:innen hat der Fotograf Archivmaterial vorliegen, das er ins Buch einbeziehen möchte. Über die Arbeit am Projekt lernte er zudem einen Historiker kennen, der sich intensiv mit queerer Geschichte beschäftigt. Diese gerät oft in Vergessenheit, weiß Heft. „Sie geht verloren, weil sie nicht in Geschichtsbüchern steht und nicht über Generationen weitergegeben wird. Wenn man etwas erfahren möchte, muss man explizit danach fragen.“ Gründe genug also, um den „Unsichtbaren“ noch mehr Raum zu geben. Denn ihre Geschichten sind noch lange nicht auserzählt.

Markus Heft wird seine Fotoreportage „Wolfgang und Johannes“ sowie die daraus entstandene Porträtserie „Die Unsichtbaren“ in einer Sonntagsmatinee am 3. März 2024 um 11 Uhr vorstellen. Die Matinee findet in der Buchhandlung Isensee statt, Eintrittskarten kosten 5 Euro und können ab dem 15. Januar 2024 im Vorverkauf in der Buchhandlung erworben werden.