Erstmals würdigte die World Press Photo Foundation neben dem Pressefoto des Jahres auch die beste Story. Wettbewerbssieger wurde der niederländische, in Stockholm lebende Fotograf Pieter ten Hoopen mit seiner Fotoreihe „The Migrant Caravan“. Claus Spitzer-Ewersmann hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.
Frage: Pieter, du warst als Fotograf sechs Tage lang Teil des Trecks mittelamerikanischer Migranten in Richtung der us-amerikanischen Grenze. Mit welcher Idee hast du dich der Gruppe angeschlossen?
Pieter ten Hoopen: Ich arbeite bereits seit einiger Zeit am Projekt Love Stories, einem Zyklus über die Liebe. Das ist ein großes Thema. Mir geht es darum zu zeigen, welche Kraft sie in den verschiedensten Situationen entwickeln kann. Das war auch hier mein Ansatz. Ich bin kein politischer Chronist, sondern jemand, der die besonderen Geschichten sucht. Deshalb war mir der Alltag in der Karawane wichtig, die Normalität. Wie gehen die Menschen in dieser Drucksituation miteinander um? Wie Paare, wie Kinder?
Frage: War es schwierig, Zugang zu den Menschen zu bekommen?
ten Hoopen: Nicht besonders. Ich bin jemand, der immer offen mit der Situation umgeht und sagt, was er möchte. Etliche hat sicherlich beeindruckt, dass ich mit ihnen unterwegs war und nicht nur mal kurz vorbeigeschaut habe und dann zurück ins Hotel gefahren bin. Aber nur so bekommt man die Geschichten aus der Mitte des Trecks. Und nur so entsteht Vertrauen. Wenn man das gewinnt, kann man sich den Details zuwenden und sich aufs Fotografieren konzentrieren.
Frage: Kannst du etwas zur Stimmung im Treck sagen, immerhin waren da rund 7.000 Menschen unterwegs?
ten Hoopen: Ich habe viele Leute getroffen, die gute Laune hatten. Es war immer wieder zu hören, wie viel Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lebensumstände sie hatten. Und die Kinder haben das alles eher spielerisch gesehen. Zum großen Teil verstanden sich die Menschen gut, es gab nur sehr wenige negative Vorfälle.
Frage: Was möchtest du den Betrachtern deiner Fotos mit auf den Weg geben?
ten Hoopen: Ich möchte nicht missverstanden werden: Flucht ist hart und grausam. Das müssen wir alle immer im Kopf behalten. Aber ich war erstaunt, wie die Flüchtenden mit ihrer Situation umgehen. Ich hoffe sehr, dass man beim Betrachten der Bilder die Notlage erkennt. Niemand lässt gern seine Heimat hinter sich. Das macht man nur, wenn man keine andere Wahl hat.
Frage: Du fotografierst, drehst aber auch Filmproduktionen …
ten Hoopen: Ja, für mich ist wichtig, den besten Weg zu finden, um eine Geschichte in all ihren Facetten und möglichst vielschichtig zu zeigen. Früher konnte ein einzelnes Bild zu einer Ikone für einen Krieg oder Momente der Verzweiflung werden. Das hat sich geändert – und damit auch die Art, wie wir als Bildjournalisten erzählen müssen.
Frage: Du hast in vielen Krisenregionen gearbeitet, Schülern Foptojournalismus beigebracht und mit Hungry Horse 2010 auch schon zwei World Press Photo Awards gewonnen. Was treibt dich an?
ten Hoopen: Ich interessiere mich für das Alltägliche, für das einfache Leben. Dazu zählen etwa die Lebensbedingungen der Menschen, bevorzugt von Minderheiten. The Migrant Caravan ist dafür ein gutes Beispiel. Mir geht es hier nicht um politische Fotografie, sondern um Familien, um Beziehungen und um kleine Momente der Freude wie eine innige Umarmung.
Frage: Wie geht es mit Love Stories weiter?
ten Hoopen: Ich habe bereits einige weitere Begegnungen dokumentiert. Mit dem Zwischenstand des Projekts bin ich sehr zufrieden. Wahrscheinlich wird es 2021 erstmals in einer Ausstellung zu sehen sein.